Zu wenige Kontrollen bei Mindestlohnbetrug
Mit dem 1. Oktober stieg der Mindestlohn auf 12 Euro. Eigentlich ein Grund zur Freude, denn die Anhebung ist überfällig, aber nicht ausreichend.
„Die Mindestlohnerhöhung ist bereits vor ihrer Umsetzung von der Kostenexplosion aufgefressen worden. Bei Strom, Heizkosten und in jedem Supermarkt sind die Preise enorm gestiegen. Es braucht einen wirklich armutsfesten Mindestlohn. Deshalb muss er rasch weiter steigen. 12 Euro pro Stunde sind zu wenig.“, so Victor Perli, Bundestagsabgeordneter der Linksfraktion.
Darüber hinaus wird der Mindestlohn in Niedersachsen nicht ausreichend kontrolliert. Dies geht aus einer parlamentarischen Anfrage von Perli hervor. Der Zoll hat im ersten Halbjahr 2022 lediglich 239 Ermittlungsverfahren wegen Mindestlohnbetrug eingeleitet (2021, 1. HJ: 212 Ermittlungsverfahren). Die Aufdeckungsquote ist nach wie vor sehr schlecht. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) geht davon aus, dass in Niedersachsen ca. 212.000 Menschen widerrechtlich der Mindestlohn vorenthalten wird. Gemessen an der Dunkelziffer sind im ersten Halbjahr 2022 also erst 0,11 Prozent des Mindestlohnbetrugs in Niedersachsen aufgedeckt worden!
Die Erfahrung zeigt, dass im restlichen Jahresverlauf nicht mit einem großen Anstieg zu rechnen ist. So lag die Aufdeckungsquote im Vorjahr 2021 mit insgesamt 422 festgestellten Verstößen bei 0,2 Prozent, was noch einmal verdeutlicht, dass die Aufklärung der Mindestlohnverstöße in Niedersachsen nach wie vor viel zu schlecht ist.
Auffällig ist auch, dass ausgerechnet im Agrarland Niedersachsen in der Landwirtschaftsbranche wenig kontrolliert wird. Insgesamt 36-mal rückte die FKS zu einem der fast 35.000 niedersächsischen Landwirtschaftsbetrieben aus. Damit wird statistisch gesehen also alle 350 Jahre ein landwirtschaftlicher Betrieb auf die Einhaltung des Mindestlohns kontrolliert. Noch weniger Kontrollen gab es in der Pflegebranche, hier schaute der Zoll in 2022 bisher erst 24 Mal vorbei. Im Vorjahreshalbjahr gab es 68 Kontrollen. Trotz der wenigen Kontrollen insgesamt liegt der Focus auf dem Bauhaupt- und Baunebengewerbe (1. Halbjahr 2022: 528 Kontrollen), sowie Gaststätten – und Beherbergungsgewerbe (331 Kontrollen).
Victor Perli kommentiert die Verstöße gegen den Mindestlohnbetrug wie folgt: „Die Erhöhung des Mindestlohns ist nichts wert, wenn sie nicht auch durchgesetzt wird! Der Deutsche Gewerkschaftsbund geht davon aus, dass mindestens 2,4 Millionen Menschen der Mindestlohn vorenthalten wird. Sie arbeiten zu einem Hungerlohn und haben es schwer, ihre Rechte durchzusetzen. Daher fordern wir Gesetzesverschärfungen und eine deutliche Erhöhung des Personals beim Zoll, um das klare Signal zu setzen: Mindestlohnbetrug ist kein Kavaliersdelikt, sondern knallharte Wirtschaftskriminalität, die aktiv verfolgt und bestraft wird.“
Um den Zoll zu unterstützen, betreibt Perli seit März 2021 das Meldeportal www.mindestlohnbetrug.de, auf dem Betroffene anonym Verdachtsfälle melden können.